Hufe in Balance - Huforthopädie nach Jochen Biernat
  Hufrehe
 

Was ist bei Hufrehe zu beachten?
 
Ein Pferd mit Hufrehe ist immer ein Notfall und Bedarf der sofortigen Behandlung.
Die Behandlung des Pferdes und die Bearbeitung der Hufe richtet sich immer nach dem speziellen Einzelfall. Bei der Huforthopädischen Betreuung wird grundsätzlich auf einen Beschlag auch bei Hufrehepferden verzichtet. Um dem Pferd Erleichterung zu verschaffen und um eine weitere Schädigung des Hufbeinträgers zu verhindern bzw. zu verringern, wird das Pferd in der akuten Phase Polsterverbände erhalten, die die Last auf die in der Regel noch intakte Hufsohle umleiten. Ziel der Huforthopädischen Maßnahmen ist eine schnelle und möglichst vollständige Regeneration der Hufe. Hierfür ist eine Bearbeitung der Hufe in kurzen Intervallen (max. 2 Wochen Abstand) notwendig.

Neben der schnellen Behandlung der Hufe ist auch das weitere Umfeld der Pferde zu berücksichtigen. Hier kann der Pferdebesitzer maßgeblich die Gesundung und auch spätere Gesunderhaltung seines Pferdes beeinflussen. Folgende Punkte sollten auf jeden Fall beachtet werden:

  
Fütterung:
 
Grundfutter:
  • Ausreichende Mengen an gutem Heu, sind eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Pferdefütterung. Heu bzw. Gras bilden die Hauptnahrungsquelle für Equiden. Für eine längere Fressdauer, kann das Heu auch aus engmaschigen Heunetzen und mit Stroh gemischt verfüttert werden.
  • Vorsicht mit schlechten Heu oder Silage, Schimmel kann Hufrehe auslösen.
  • Bei stark übergewichtigen Pferden oder sehr energiereichem Heu, kann es sinnvoll sein das Heu vor der Fütterung ca 1 Stunde zu wässern. Dadurch wird ein Teil der wasserlöslichen fruktane ausgewaschen. Am wirkungsvollsten ist das Wässern mit warmen bis heißen Wasser. Allerdings sollte man das Heu dann nicht zu lange im Wasser belassen, da sonst Gärprozesse entstehen können, die das Heu unbrauchbar machen, dies ist vor allem an warmen Tagen problematisch.
  • Fruktane können Hufrehe auslösen: Pflanzen speichern als Energiereserven Fruktane. Diese werden hauptsächlich in den Stängeln gespeichert. Stängelreichen Weideaufwuchs sollte also vermieden werden, da je nach Tageszeit, Temperatur und Jahreszeit dort die höchsten Fruktangehalte zu erwarten sind. Dies ist auch ein Grund warum viele Pferde noch im Herbst, auf abgegrasten Weiden an Hufrehe erkranken. Gerade diese abgegrasten Weiden mit hohem Stängelanteil, lagern viele Fruktane ein und wenn im Herbst bereits niedrige Temperaturen herrschen und die Sonne scheint, ist das Hufreherisiko sehr hoch.
  • Darum bitte Weidezeiten beachten: Hohe Fruktangehalte sind zu erwarten, wenn die Pflanze ausreichend Licht bekommt und diese in Engerie (Fruktane) umwandelt, durch Wachstum aber nicht direkt verbrauchen kann. Dann kommt es zu einer erheblichen Anreicherung von Fruktanen im Gras. Ursachen für ein mangelndes Wachstum können sehr unterschiedlich sein: Kalte Temperaturen (Frost), ständig abgefressene Planzen, nährstoffarme Böden, Trockenheit. Der höchste Fruktangehalt ist zu Vegetationsbeginn im Frühjahr anzutreffen. Lassen Sie due Pferde nicht auf die Weide solange es Nachts noch kalt wird (unter 8°C) und die Sonne scheint. Die Schwankungsbreite des Fruktangehaltes kann ernorm sein. Z.B. findet man in manchen Gräsern bei kühlem Wetter (etwas 8°C) bis zu 200mal mehr Fruktan als bei wärmeren Wetter (ca. 20°C)
Fruktankalendar

  • Auch gefrorenes Gras kann Hufrehe auslösen.
  • Langsame Futterumstellung bei Futterwechsel und Weidebeginn. Pferde sollte mind. 3 bis 4 Wochen an frisches Weidegras gewöhnt werden. Mit 10 Minuten pro Tag beginnen und langsam steigern.
  • Bei Weidegang Portionsweide oder Maulkorb wählen. Die wenigstens Pferde vertragen auf Dauer 24 h Weidegang auf Powergräsern.
 
Weidepflege
  • Wenn die Möglichkeit besteht bei Neu- oder Nachsaat fruktanarme Gräsermischungen für Pferde wählen. Hierbei sollte man sich aber nicht nur ausschließlich auf die Herstellerangaben verlassen, sondern die angegeben Gräsermischung selber kontrollieren.

    Der Fruktangehalt korreliert nach Untersuchungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sehr eng mit dem Gesamtzuckergehalt der Gräser. Deshalb können wirklich relevante Effekte über die Wahl der Gräserarten erzielt werden.

    Die Reihe der Gräserarten mit abnehmenden Zuckergehalten lautet:
    • Welsches Weidelgras
    • Deutsches Weidelgras
    • Wiesenrispe
    • Wiesenschwingel
    • Knaulgras
    • Rotschwingel
    • Wiesenlieschgras
    • Wiesenfuchsschwanz
Um gezielt Grünlandaufwüchse – und damit Weide- und Winterfutter - mit niedrigen Fruktangehalten zu erzeugen, sollten in der Ansaatmischung die Gräserarten, die hohe Zuckergehalte aufweisen, in einem möglichst geringen Anteil enthalten sein. Eine Ansaatmischung, die sich gemäß Landwirtschaftskammer Niedersachsen gut für fruktanarme Pferdeweiden eignet, ist die Standardmischung G I mit Anteilen von 10 % Deutschem Weidelgras, 47 % Wiesenschwingel, 17 % Wiesenlieschgras, 10 % Wisenrispe, 10 % Rotschwingel und 6 % Weißklee.
Diese wiesenschwingelbetonte Ansaatmischung zeichnet sich tendenziell durch geringe Fruktankonzentrationen aus und eignet sich für Weide- und Schnittnutzung. Da Wiesenschwingel wenig trittverträglich ist, sollte Weidegang nur im Wechsel mit extensiver Schnittnutzung, vorzugsweise zur ersten Nutzung, erfolgen. Es gibt mittlerweile auch Pferdesaaten ganz ohne Weidelgras.
 
Kraftfutter:
 
  • Kraftfutter sollte bedarfsgerecht auf Grund des Leistungsbedarfs und der individuellen Futterverwertung eingesetzt werden. Auch Pferde die an Hufrehe erkrankt waren, können nach überstandenem akutem Zustand bei Bedarf Hafer bekommen.
    Bei Kraftfutterwechsel mindestens 7 Tage lang schrittweise das bisherige Kraftfutter durch das neue Kraftfutter ersetzen.
    Wichtig: Es kommt auf die Menge an, egal welches Kraftfutter Sie wählen!! Pferde und Ponys, die keine oder nur geringe Leistungen erbringen, brauchen in der Regel kein Kraftfutter.
  • Unaufgeschlossener Mais und Gerste kann Hufrehe auslösen. Roggen hat nichts in der Pferdefütterung zu suchen, da dieser ebenfalls Hufrehe auslösen kann. Achten Sie bitte darauf, falls Sie Mischfutter (Müslis und Pellets) füttern, was enthalten ist und in welcher Form. Bitte nicht vergessen auch Müsli und Pellets gehören zu den Kraftfuttern und können in überhöhten Gaben Hufrehe auslösen.
  • Vorsicht mit melassereichen Müslis: Diese können Stoffwechselstörungen und Darmprobleme auslösen, die wiederum einen Hufreheschub begünstigen können.
  • Auch getrocknete Brötchen und Brot werden aus Getreide hergestellt und zählen deshalb auch zum Kraftfutter.
    Außerdem bestehen die meisten Brote oder Brötchen aus Weizen und Weizen enthält sehr viel Klebereiweiß. In großen Mengen genossen, kann Klebereiweiß den Magen eines Pferdes zukleistern und dies kann zu Koliken führen. Deswegen soll man Weizenbrötchen oder Weizenmischbrote grundsätzlich auch bei gesunden Pferden wenn überhaupt nur in kleinen Mengen geben.
  • Jegliche Form von Zucker - sei es nun Fruchtzucker, Fruktane, Stärke usw Erhöhen den Insulinspiegel, ein zu hoher oder dauerhaft hoher Insulinspiegel spielt bei der Entstehung einer Rehe auch eine Rolle. Deshalb sollte bei der Fütterung die gesamte Futtermenge (Gras, Heu, Kraftfutter - Achtung Zuckerwerte im Gras und Heu schwanken erheblich je nach Sorte, Schnittzeitpunkt und Bodenverhältnissen) immer im Auge behalten werden und auf das jeweilige Pferd und die momentane Leistung abgestimmt sein. Wichtig ist auch eine ausreichende Bewegung des Pferdes (entsprechend seinem Gesundheitszustand), wodurch der Stoffwechsel angeregt und das Insulin abgebaut werden kann.
 
Fütterungstechniken:
 
  • Fütterungstechnik bei Weidegang: Erst Heu dann auf die Weide. Niemals Kraftfutter vor Weidegang füttern. Kraftfutter nach dem Weidegang anbieten.
  • Allgemein: Zuerst Heu und nach 15 min. Kraftfutter geben. So werden viele Verdauungsprobleme verhindert.
  • Nur gut abgelagertes Getreide und Heu füttern, kann ansonsten ebenfalls Hufrehe und Stoffwechselstörungen auslösen. Achten Sie stets auf einwandfreie hygienische Qualität von Grund- und Kraftfutter.
  • Achten Sie darauf, dass Karotten im Winter im Stall nicht gefrieren. Auch dies kann Hufrehe auslösen.
 
 
Haltung:
 
  • Das Pferde sollte bei einer akuten Hufrehe, die Möglichkeit haben, einen gut eingestreuten Bereich aufzusuchen, da der weiche Boden die Lastaufnahme besser auf den gesamten Huf verteilt und das Pferd angenehmer stehen und auch liegen kann.
  • Das Pferd darf und sollte während der akuten Phase viel liegen, um so die geschädigten Hufe zu entlasten und weitere Schäden zu vermeiden. Das Pferde sollte nicht zum stehen gezwungen werden. Liegt das Pferd fast durchgängig, ist eine sehr weiche Einstreu (am besten Späne/Leinenstreu + Stroh) zu bevorzugen, damit sich das Pferd nicht wund liegt.
  • Solange das Pferd keine Schmerzmittel bekommt, darf es sich im Laufstall oder Auslauf frei bewegen. Es sollte aber nicht von anderen Pferden gescheucht werden und jederzeit die Zugangsmöglichkeit zu einen weich eingestreuten Bereich haben.
  • Nach der Überstandenen aktuten Phase ist viel frei Bewegung im Offenstall oder Paddock von Vorteil. Die meisten Rehepferde sind zu dick und bedürfen einer Diät, die durch tägliche Bewegung unterstützt werden kann. Hier kann ein Offenstall gute Dienste leisten, da die Pferde in der ersten Zeit kaum gearbeitet werden können, um die Heilung der Hufe nicht zu beeinträchtigen. Optimal wäre ein Aktivstall oder Paddock-Trail-System, wenn dort auf die speziellen Bedürfnisse eines Rehepatienten eingegangen werden kann. Natürlich ist auch Haltung in anderen Systemen möglich, doch bieten diese beiden Systeme nicht nur für Rehepferde viele Vorteile.

 
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